Leitung: Prof. Dr. Ute Gause (Ruhr-Universität Bochum) / Prof. Dr. Marina Caffiero (Sapienza-Universität Rom) Im „langen“ 18. Jahrhundert – ab dem Ende des Dreißigjährigen Krieges beginnend und mit der Epochenschwelle der Französischen Revolution endend – entstehen Konfessionskulturen, die nur unzureichend mit Epochenbeschreibungen wie Barock, Pietismus, Orthodoxie und Aufklärung erfasst werden können. Gekennzeichnet ist die Zeit jedoch in ihrer religiösen Signatur mit einer Fokussierung auf das Subjekt und einem Bestreben individuelle, subjektive, emotionale und affektive Zugänge zum Glauben zu finden. In allen konfessionellen Traditionen entstehen Formen religiöser Aneignung, die sich jenseits von institutionalisierter Kirche, Kloster, Universität und Schule schriftlich niederschlagen. Frauen sind an diesen religiösen und theologischen Formierungsprozessen mit eigenen Veröffentlichungen und Korrespondenznetzwerken vielfältig beteiligt. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach Konstruktionen von Gender, nämlich inwiefern und ob überhaupt ein geschlechtsspezifischer Habitus erkennbar wird. Einleitend werden die disparaten Entwicklungen im Hinblick auf Wahrnehmung und „agency“ von Frauen sowie ihrer enormen literarischen Produktivität im 18. Jahrhundert charakterisiert, deren individuelle Aneignungen der Bibel mit dem Aufkommen einer „vernünftigen Religion“ ihr Ende finden. Exemplarisch werden Protagonist*innen des europäischen Raums vorgestellt, deren Bemühungen um Bildung und Emanzipation (Benito J. Feijo in Spanien; jüdische Lehrerinnen in Triest), normierendes Schrifttum für Frauen und Männer und deren Implikationen, theologische Schriften und ihre Rezeption (U.a. Regina Catharina von Greiffenberg in Österreich und später in Deutschland, Madame Guyon, deren französischen Bibelkommentare ins Deutsche übersetzt werden). Jenseits einer vermeintlich selbstverständlichen Vorfindlichkeit von Gender und einem Sich-Fügen in Geschlechterrollen zeigen diese Einzelstudien, wie im 18. Jahrhundert theologisch arbeitende Frauen den Umgang mit ihrer Religion vorangetrieben, unterstützt und eigenständig gestaltet haben. Der Bibelauslegung kam eine Schlüsselfunktion zu, indem sie nicht nur weibliche Identifikationsfiguren bot, sondern in der Konzentration auf dem sich in der Meditation erschließendem Glauben eine Möglichkeit individueller Aneignung jenseits von Geschlechterbegrenzungen bot.
Internationale und interdisziplinäre Tagung vom 18.-20.03.2021 (Marie Jahoda Center for International Gender Studies / Bochum) mit anschließender Publikation Leitung: Prof. Dr. Ute Gause (Ruhr-Universität Bochum) / Prof. Dr. Marina Caffiero (Sapienza-Universität Rom) Zusammenfassung: Wesentliches Ziel der Tagung ist der offene, transnationale, transkonfessionelle und interdisziplinäre Austausch von Akademiker_innen über die Themen Gender und Bibel in ihren Verpflechtungen mit Fokus auf dem 18. Jahrhundert. Die Tagung fördert durch die maßgebliche Planung einer italienischen und einer deutschen Wissenschaftlerin den deutsch-italienischen Austausch. Ein weiteres Ziel ist die Vorbereitung einer Publikation im Rahmen der Reihe „Die Bibel und die Frauen“.