Abgeschlossene Habilitationen

PD Dr. Jula Well: Flüchtlinge rein – Nazis raus. Ideologie und Rhetorik politischer Predigten aus der Zeit der sogenannten Flüchtlingskrise

In der Zeit der sogenannten Flüchtlingskrise wurde in Deutschland kontrovers diskutiert, wie mit den ankommenden Flüchtlingen umgegangen werden sollte. Spontane Hilfsbereitschaft und Anti-Asyl-Proteste standen einander oppositionell gegenüber. Die einen erlebten den Sommer 2015 als „humanitäres Sommermärchen“ (T. Bendikowski), die anderen interpretierten die Ereignisse als Ausverkauf nationaler Identität und Integrität. Die politische Lage forderte auch die Kirchen heraus, denn Nächstenliebe kennt keine Obergrenze - oder?

Die Habilitationsschrift untersucht aus ideologie-kritischer Perspektive (I. Meinhard), wie Predigerinnen und Prediger die politische Lage deuteten und wie sie dementsprechend predigten. Wie reagierten Predigerinnen und Prediger auf den Rechtspopulismus? Gelang es ihnen, angesichts der politischen Lage, die auch manche Gemeinde spaltete, das Gespräch mit allen Hörerinnen und Hörern zu führen? Welche Ideale und Selbstbilder wurden gezeichnet und wie wurden dabei „die Anderen“ sprachlich präsentiert?

Die Studie zeigt, wie eng rhetorische Überlegungen und sprachliche Präsentation mit den jeweiligen Inhalten verknüpft sind und führt vor Augen, wie es gelingen kann, eine profilierte Haltung zu kommunizieren, ohne andere zu diffamieren.

Zum Forscherinnen-Profil von PD Dr. Jula Well


PD Dr. Christine Siegl: Doing Bahnhofsmission - eine ethnographische Untersuchung diakonischer Hilfe am Bahnhof

Christine Siegl untersuchte im DFG-geförderten Forschungsprojekt „Nächste Hilfe am Bahnhof“ (Projektnr. 423629649) die gegenwärtige Arbeit der Bahnhofsmission aus einem praktisch-theologischem Blickwinkel.

Dazu wurden in den Jahren 2020-2022 u.a. ethnographische Studien an fünf großen Bahnhofsmissionen in ganz Deutschland, teilnehmende Beobachtungen bei Treffen und Fortbildungen von Leiter:innen und Mitarbeitenden sowie eine virtual ethnography von social media-Auftritten einzelner Bahnhofsmissionen durchgeführt. In praxistheoretischer Forschungsperspektive stand die Frage im Mittelpunkt, wie die Mitarbeiter:innen vor Ort das soziale Geschehen „Bahnhofsmission“ zur Aufführung bringen. Anhand der detaillierten Erfassung der Praxis der Raum(re)produktion, der zentralen Praxis des Helfens und der religiösen Praxis gewinnt das „Doing Bahnhofsmission“ Kontur.

Im Gespräch mit aktuellen Entwürfen zum Verhältnis zwischen Diakonie, Kirche, Gesellschaft und Staat zeigt sich, dass die bahnhofsmissionarische Praxis auch hierbei besondere Akzente setzt: Einerseits ist ihre kirchliche Trägerschaft konstitutiv und wird auch in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht, andererseits richtet sie sich ganz gezielt an benachteiligte Menschen, ohne diese Hilfe zwingend religiös zu konnotieren. Die Bahnhofsmission kann daher als eine „Kirche im Dazwischen“ genauer gefasst werden.

Zum Forscherinnen-Profil von PD Dr. Christine Siegl

Christine Siegl und Isolde Karle stellen in einem Artikel in "forschung" (4/2023), dem Magazin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, zentrale Erkenntnisse der Studie vor: Zum Artikel.